Ich gehe mit Sebastian, einem Arzt aus der Nähe von Stuttgart klettern. Sebastian ist jung und gut gebaut, klettert nach eigenen Angaben 7er und nach der ersten Route weiß ich, dass er gerne untertreibt. Wir waren die letzten Tage uns am Campingplatz begegnet und haben gestern schon nebeneinander geklettert, da seine Freundin nur sichert, tun wir uns heute zusammen.
Zuerst geht es die Zima 5c+, dann die Orao 5c. Dort zeigt er mir das erste Mal seine Stärke: Gute Augen und super Fußtechnik. Mit zwei Zügen meistert er den Einstieg auf gänzlich andere und viel einfacherer Weise wie Holger und ich vor ein paar Tagen. Also versuche ich ihn zu der Rinne zu lotsen, an der wir es uns schwer gemacht haben. Wieder zwei Züge und weit nach rechts gegriffen, fertig. Der Mann macht mich fertig. Er macht es sich erst gar nicht schwer. Ich mache es ihm nach und bin erschüttert, wie einfach der Einstieg ist.
Anschließend geht es an die Crni gad 6b. Ein grandioser Sinter direkt neben dem Eingang des Kiosks. Die ersten zwei Meter sind die schwersten. Kaum etwas zu halten, klippen, dann zum zweiten, alten Haken, nach rechts über den Sinter. Ich finde keinen Halt, erst beim 5ten Sturz sehe ich eine kleine Nase. Und erst nach dem ich sie gechalkt habe, sehe ich sie auch, wenn ich am Sinter hänge. Jetzt lässt sich der Sinter mit beiden Händen klemmen, die Füße gleichmäßig nach oben bringen, wieder klemmen, rechts ein guter Griff und endlich klippen.
Der Rest ist relativ einfach, sofern man den Weg findet. Im oberen Drittel gibt es eine Hakenreihe, die man aber rechts davon durch den Kamin klettert. Dann geht es zu den Haken nach links und wieder sehe ich einen Tritt nicht, so zwänge ich mich in eine Rille, halte, zerre, aber noch bevor ich klippen kann rutsche ich ab und es geht 7 Meter in die Tiefe. Die Touris, die am Kiosk gerade Pause machen, habe ich damit eine tolle Show geboten. Ein kollektives „Ohhh“ erreicht mich von unten. Beim zweiten Versuch sehe ich den Griff, und dann ist die Stelle extrem einfach. Es ärgert mich, das nicht gesehen zu haben. Aber so ist das manchmal: Überfordert sieht man die leichtesten Wege nicht.
Zum Abschluss klettern wir noch die Bevanda 5c und sagen Paklenica für 2012 Abschied.
Nachtrag:
Ich sitze nach dem xten Bier am Strand und schaue in die Sterne. Einige Meter weiter beginnt plötzlich Pink Floyds Dark side of the moon die Nacht zu durchdringen. Spontan gehe ich zu den zwei Männern und setze mich zu ihnen. Über die Musik kommen wir auf das Gefühl Psychedelic Rock bei so einem gigantischen Sternenhimmel zu hören. Die zwei zotteligen Gestalten sind Türken, die mit ihren Motorrädern schon 3000 km gefahren. Dann stellt sich auch noch heraus, es sind Kletterer. Industriekletterer , die sich auf Windkraftwerken und Hochspannungsmasten ihr Geld verdienen und dann zwei Monate am Stück zum klettern gehen. Wir reden über Gott und die Welt, wünschen uns weiterhin Gesundheit und keinen Absturz ich schenke ihnen zum Abschluss noch zwei Bier. Am nächsten sind sie leider schon weiter gezogen, ich hätte gerne noch mit ihnen geklettert.