Das größte Problem an Lorsbach ist, dass zu viele sich in den einfachen Routen tummeln und es Menschen gibt, die egoistisch sind, oder nicht weit genug denken.

Der Fels kann ja nichts dafür, aber das macht Lorsbach wirklich unattraktiv.

Wir kamen um 18 Uhr an und hatten Glück, dass die rechten Routen gerade frei waren. Seit vier Wochen nicht geklettert, Probleme im Rücken. Erst mal eine einfache Route klettern um warm zu werden. Den Spund 5+ wollten wir nicht machen, also war es die Einstiegsvariante 5+ der Via Ingrid 6+.
Und wurde gleich ein Waterloo. Da wir die Route noch nicht kannten, tat sich im ersten Versuch Holger sehr schwer und als ich dann vor stieg, hatte ich im Mittelteil einen soliden 6 Meter Sturz hingelegt. Aber der Reihe nach. Holger stieg vor und verzettelte sich viel zu lange vor dem ersten Block, bis die Muskeln zu waren. Also übernahm ich den Vorstieg. Mittlerweile war eine neue Seilschaft angekommen, die erst uns baten in den Spund direkt neben an, vor uns einsteigen zu dürfen. Da wir nicht schnell genug Folge leisteten (Holger saß noch am ersten Haken), ging der Mann dann als erstes den rechten Einstieg 7 und mir war klar: ok, ein Local, noch dazu ein Oldie, der den Fels wahrscheinlich zum tausendsten Mal klettert, seine Ausrüstung und sein Auftreten, seine abgemagerte Gestallt, Sonnenbrille und uralt Basecap und T-Shirt ließen die Vermutung zumindest zu.

Ich kletterte über den Block, kämpfte ganz gut an den folgenden Griffen. Da ich die Route nicht kannte, dauerte alles etwas länger und die Haltekraft kostete mich einigen Schweiß. Warm war es außerdem. Vor dem nächsten Haken bekam ich dann Probleme. Der einzigen guten Griff, den ich sah, war links des Hakens nur mit rechts zu greifen und zu weit, um dann mit links zu klippen. Ich suchte, versuchte die Füße anders zu stellen, probierte Griffe und merkte, wie mir die Muskeln zu gingen. Als ich dann den linken Fuß noch einmal auf eine andere Stelle setzte und mit links umgreifen wollte, bekam ich die Finger gar nicht mehr auf, geschweige denn zu, um zu greifen, und abwärts ging es. Zwei, drei Meter über dem letzten Haken und leider nicht weit vom Grund, weswegen mein erster Gedanke auch “Grounder” war. Aber es reichte noch. 2 Meter über dem Boden hing ich, Holger hatte sauber reagiert und noch das Seil verkürzt. Das ist in Lorsbach wirklich wichtig.

Beim zweiten Versuch blieb ich dann ein Stück weiter rechts, konnte unproblematisch klippen und noch weiter rechts gute Griffe sehen. Da schaute von oben der Oldie-Local über die Kante brummelte was von “Mal Platz machen, sonst pendel ich noch auf dich”. Ich war mitten im Klettern und einfach war es auch nicht gerade, noch dazu neu und der Depp wollte jetzt an dieser Stelle abseilen und zwar Pronto. Als ich nicht sofort reagierte, wiederholte er es noch mal und da war dann die Freundlichkeit in mir vorbei: “Du siehst doch, dass ich hier klettere und genug Probleme habe. Du hast doch alle Zeit der Welt, dann wart halt mal.” Erst später ging mir auf, was dieser Egoist eigentlich wollte: Schnell nach unten und die nächste Route blockieren! Denn gerade kamen neue Kletterer unten an.
Also ich über die Kante kam, sah ich, dass er schon vor uns den Rechten Ausstieg eingehängt hatte. Tja, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. So einfach ist das in Lorsbach, wenn man einen Egoisten-Local trifft. Statt seinen Umlenker ganz rechts zu nehmen, geht man schnell die nächste Route hoch, ohne zu fragen, denn wir waren ja früher in der Route darunter und eigentlich war abzusehen, dass wir dort weitergehen würden. Aber auch dazu muss man genaue Kenntnisse von Lorsbach und viel Erfahrung haben.

Das hat er nicht etwa aus-Versehen gemacht, sondern in vollem Bewusstsein und Kenntnis der Situation. Schließlich kamen noch einige Seilschaften gerade an und der Kenner sichert sich auf diese Weise gleich die nächste(n) Routen. Nicht nur, dass er den Rechten Ausstieg damit belegt hatte und ich gezwungenermaßen am nächstbesten Bühler abseilen musste, nein, er hatte beim Aufstieg auch noch die Route daneben gebraucht und ein paar Exen zeigten, dass er die halbe Wand benutzt hatte.

Als nächstes ging dann seine Seilpartnerin Toprope. Also auch keine Chance für Holger sich dazwischen zu schieben und da der Umlenker schon mal belegt war, kletterten die beiden von dort aus noch Toprope das Schneeweißchen mit. Später sah ich sie dann noch das Grasbändchen machen. Also drei auf einem Streich. Echt clever, der Egoisten-Local!

So einfach ist das. Eine schnelle Route und du hast dir die drei Hauptrouten als nächstes gesichert und die blöden Newbies können warten.
Ich war dermaßen geladen, dass ich ihm einiges an den Kopf geschmissen habe. Wehe, der kommt mir noch mal in die Finger.

Glücklicherweise war gerade der Engländer vom letzten Mal angekommen und ich hatte ein paar nette Gesprächsthemen, sonst wär ich wahrscheinlich noch ausfallend geworden.

Dem Engländer hatte man in der Pfalz den Rucksack geklaut und so erzählten wir uns Verlustgeschichten und ich kam wieder auf seine Exen, die an beiden Enden Schraubkarabiner haben. Die hängt er an Schlüsselstellen in die Wand, um zu verhindern, dass bei einem Sturz sich das Seil selber aushängen kann. Ähnliches empfieht ja nun die DAV-Unfallforschung. Vielleicht baue ich mir auch mal eine.

Da es noch voller wurde und die eine neue Gruppe schon Richtung drängte, beeilten wir uns und gingen wieder den Fledermausweg 6+. Nicht ohne die Gruppe zu fragen, ob wir einen anderen Umlenker nehmen sollten, falls sie nebenan klettern wollten. Wir verständigten uns und so konnte jeder klettern, was er wollte und konnte.

Diesmal, bis auf meine gefühlte Kraftlosigkeit, überhaupt kein Problem. Ich hatte nur ständig das Gefühl, dass ich schon an der Grenze klettere, obwahl da noch viel Luft war. Mir liegt es immer weniger, gleich auf 100% zu kommen. Ich brauche offenbar ein, zwei, drei Routen zum einklettern. Das ist mir schon in der Halle im Winter aufgefallen. Am besten war der Rhythmus: Einfach (5+ oder 6-), schwerer (6, 6+), leicht (5+, 6-), und dann in die 7er oder 8er. Zu früh in die 7er und die Arme sind den ganzen Abend lahm. Überhaupt sollte ich mal versuchen immer wieder eine ganz Leichte einzustreuen. Wir klettern oft den ganzen Abend auf einem (hohen) Niveau. Das tut den Knochen nicht gut.

So hatte ich zwar das Gefühl, die Finger und Beine seinen lahm, aber die Route lief ich ganz locker durch. Vorm Dach diesmal auf die glatten Flächen geachtet und gleich die fetten Henkel über dem Dach genommen, konnte ich rasch die Aussicht genießen.

Da mein Rücken sich wieder meldete ging es zum Schluss in die Für Brigitte 6-, wobei wir den unteren Teil dem Engländer überließen und uns weit rechts hielten. Überhaupt nimmt man in Lorsbach oft den Weg der Nachbarroute. So kletterten wir für den Fledermausweg immer den unteren Teil der “Geraden Schleife” und mir scheint, dass machen alle so.

Schwierig ist in Lorsbach, dass es einige Wege gibt, die über andere Routen hinweg gehen oder gar deren Umlenker nutzen. So blockiert man schnell mal einige Routen. Aber wie schon oben gesagt, der Fels kann da nichts dazu. Die Menschen sind es. Warum muss ich, wenn der Fels so voll ist, wie gestern, den kompletten Alten Weg gehen und somit drei, vier Routen blockieren? Wenn dann noch zwei, drei Nachsteiger kommen, kann der Rest heim fahren. Ich verstehe die Leute nicht. Wir wollen doch alle gemeinsam Spaß haben. Da muss es doch möglich sein, Rücksicht zu nehmen, oder auch die Seilschaft nebenan zu fragen, was sie denn vor hat, auch wenn man zuerst da war!
So habe ich es gehalten und die Dreiergruppe und wir haben uns dann arrangiert. Im Zweifel ist es auch kein Problem in einem Umlenker zwei Karabiner einzuhängen und der letzte bringt den Kram halt mit. In Lorsbach erscheint das den Menschen eher ungewöhnlich und unsicher zu sein, im Odenwald normal und im Ausland eher Normalzustand.

 

 

Eine Antwort

  1. Hi. Bin auch gelegentlich in Lorsbach und kann nachvollziehen, dass man bei großem Gewimmel leicht genervt ist. Ein Tipp: Der “Rechte Ausstieg” ist die übliche Verlängerung des “Spund” (wie auch der “Ingrid”). Wenn der “Rechte Ausstieg” belegt ist, kann aus der “Ingrid” auch leicht der “Mittlere Ausstieg” genommen werden, was durchaus üblich ist. Oder umgekehrt, dann laufen die Seile überkreuz, aber auch das geht. In Lorsbach muss man halt auch immer ein bissi flexibel sein…
    🙂
    Ansonsten Kompliment zu Deinem Blog, schöne Klettergeschichten, mit Deinen Routenbeschreibungen kann ich mich auch als Anfänger/Leichtkletterer oft gut identifizieren!

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